Schulworkshop 2021/2022
„Schau mich an! Sprachliche Kreativität in der Außenwerbung“
Digitaler Schulworkshop im Rahmen der MIN-Initiative "Wir-wollen's-wissen" im Januar 2021, von Jannis Androutsopoulos und Franziska Kuhlee
Auch in diesem Jahr hieß es in der dritten Januarwoche wieder „Wir wollen’s wissen!“. Im Rahmen der gleichnamigen MIN-Initiative erhielten viele Hamburger Schüler:innen erneut einen Einblick in faszinierende Forschungsgebiete von Wissenschaftlicher:innen der Universität Hamburg, des UKE, des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) und – passend zur Corona-Pandemie – des Heinrich-Pette-Instituts für Experimentelle Virologie. Natürlich verlief in diesem Jahr erstmalig alles digital, und auch wir trafen unsere Workshopteilnehmer:innen über Bildschirme, kommunizierten über Mikrofon und Chat und lächelten in unsere Webcams.
Trotzdem war das Interesse an unseren Schulworkshops auch dieses Jahr groß. Vom 20.-22. Januar konnten wir drei Oberstufenklassen zu unserem Workshop begrüßen. Im Mittelpunkt stand diesmal eine besondere Form der visuellen Sprache im öffentlichen Raum, und zwar Werbeschilder. 75 Schüler_innen der Klassenstufe 12 des Louise Weiss Gymnasiums , 20 Schüler:innen des Helene-Lange Gymnasiums sowie 25 Schüler:innen der Stadtteilschule Bramfeld gingen gemeinsam mit uns der Frage nach, wie Werbeplakate durch Sprache und Bild Aufmerksamkeit nach sich ziehen und Verbindungen zum sozialen Umfeld ihrer Produktion und Rezeption stiften. Konkret ging es um drei Fragestellungen:
- Adressierung: Wer wird wie angesprochen?
- Wort und Bild: Wie wirken sie zusammen?
- Werbung und ihr Umfeld: Wie verweisen Werbeplakate auf Raum und Zeit?
Zunächst erhielten die Teilnehmer:innen (einschließlich der Lehrkräfte) einen kurzen Einblick in die Linguistic Landscape-Forschung und die empirische Grundlage des Workshop. Die App und Datenbank LinguaSnappHamburg wurden vorgestellt, diverse Funktionen von Schildern im öffentlichen Raum anhand von Schildbeispielen aus Hamburg exemplarisch dargestellt.
Anschließend waren die Schüler:innen an der Reihe: Was ist Werbung? Wo begegnet uns Werbung im öffentlichen Raum? Darüber sollten sie in kurzen Impulsantworten via Chat oder Wortmeldung reflektieren. Ihre Antworten reichten von kritischen Meinungen (etwa „Ich verbinde mit Werbung Manipulation“ oder „Für mich ist Werbung Verbreitung von Lügen“) über Bezugnahmen auf verschiedene Medien und Formate der Werbung bis zur Nennung typischer Standorte für Außenwerbung, u.a. Hauswände, LED-Anzeigen, Automobile, vor Geschäften und an Haltestellen. Eins war somit gleich zu Beginn klar: Die Teilnehmer:innen sind durch ihren Alltag mit diversen Werbeformaten vertraut und verbinden ganz spezifische Funktionen damit.
Im dritten Teil des Workshops gaben wir den Schüler:innen einen Einblick in die sprachliche Analyse von Außenwerbung anhand der drei genannten Analysekategorien. Leitend waren dabei die Fragen: Durch welche spezifischen Sprachformen werden Rezipient:innen angesprochen? Welche Sprachmittel bringen uns dazu, auf ein Werbeplakat zu reagieren, mitzudenken oder auch darüber zu schmunzeln? Die Teilnehmenden konnten die drei Aufgabenbereiche an Beispielen aus der Datenbank des Projekts LinguaSnappHamburg bearbeiten, einige davon sind in unserem Fotoslider im unteren Bereich zu sehen.
- Adressierung: Auf Werbeplakaten finden sich ganz verschiedene Formen der Anrede: Direkte Anreden mit Duzen oder Siezen, indirekte Anreden, etwa in Form rhetorischen Frage oder Aufforderung. Adressierungen kommen in der Schlagzeile oder im Fließtext und auf Deutsch oder Englisch vor.
- Wort/Bild-Beziehungen: Werbeplakate ohne Bilder sind kaum vorstellbar, und Bildinhalte können sehr komplex und aufwändig gestaltet sein. Im Workshop konzentrierten wir uns auf „Brückenwörter“, die Verbindungen zwischen Sprach- und Bildinhalten herstellen. Das sind Wörter, die bestimmte Bildkomponenten des Plakats benennen oder in einem metonymischen oder metaphorischen Verhältnis zu ihnen stehen. Diese Redefiguren beruhen auf einer Zusammengehörigkeit zwischen dem Gesagten und dem Gezeigten.
- Verweise auf das soziale Umfeld: Werbekommunikation ist immer in einen räumlichen und zeitlichen Kontext eingebettet, und Werbeplakate verweisen oft auf Aspekte ihres Umfelds, beispielsweise auf die räumliche Entfernung zwischen Plakat und beworbenen Geschäft, weiterhin auf die lokale Sprache oder die politische Aktualität.
Nach der exemplarischen Analyse einiger Plakate waren die Schüler:innen selbst an der Reihe: Als Sprachforscher:innen sollten sie anhand von bereitgestellten Arbeitsblättern (1) die sprachliche Gestaltung ausgewählter Bildbeispiele analysieren, (2) über die Wirkung der eingesetzten Mittel reflektieren und (3) in Form der Gestaltung einer eigenen Werbekampagne selbst kreativ tätig werden. Die Gruppenarbeiten fanden in virtuellen Gruppenräumen statt, anschließend präsentierten einzelne Gruppenmitglieder ihre Ergebnisse.
Die Oberstufenschüler:innen analysierten die Sprache der Werbeplakate präzise und entwickelten scharfsinnige Interpretationen. Ihnen fielen etwa jugendsprachliche Elemente und Symboliken aus den Sozialen Medien, z.B. Smileys, Emoticons oder die Empfangshäkchen, schnell auf (Beispiel 1). Außerdem erkannten sie bestimmte Techniken der Adressierung: das Duzen, um eine Nähe zu den Leser:innen herzustellen, im Gegensatz dazu das Siezen, was für junge Menschen nicht sehr anziehend wirkt (Beispiel 2 und 3). Auch eingesetzte Mittel zur Etablierung einer Beziehung zwischen Werbenden und Rezipient:nnen – etwa Smoothie und Katzenbabys (Beispiel 4) – wurden erkannt. Am Beispiel „Außenwerbung trifft Hörer“ (Beispiel 5) wurde darüber reflektiert, wie durch Sprache und Bild gezielte Mehrdeutigkeiten entstehen:Wie ist dieser Werbeslogan zu verstehen? Soll das farbige Pulver im übertragenden Sinne für die Berührung zwischen Werbung und Konsument:innen stehen? Soll verdeutlicht werden, dass Werbung jeden trifft? Geht es um Werbung für Kopfhörer oder für Werbeplakate? Auch Verweise auf die nordische Lebensweise in Form von Schifffahrtssymboliken (Beispiel 6) fielen den Schüler:innen sofort ins Auge, und sie konnten sich anschließend ganz in dem Sinne „na denn man tau!“ der dritten Aufgabe zuwenden.
Werbeplakate der Schüler:innen für eine Corona-Impfkampagne
Auch bei den eigenen Werbekreationen bewiesen die Schüler:innen ihre Kreativität. Die erste Gruppe hat Werbeplakate für Corona-Impfungen gestaltet und dabei besonders auf die Ansprache verschiedener Zielgruppen geachtet. Für ein innovatives Produkt des eigenen Start-Ups zu werben, war die Aufgabe der zweiten Gruppe. Besondere Berücksichtigung sollte dabei auf die Wechselwirkung zwischen Text und Bild gelegt werden. Der Schwerpunkt der dritten Arbeitsgruppe lag auf der Verbindung zwischen der Sprache eines Werbeplakats für einen Pop-up-Store und dessen räumlichen Kontext. Einige Gruppen gestalteten digitale Plakate, andere skizzierten ihre Werbemittel auf ein Blatt Papier und zeigten ihre Ergebnisse mit Hilfe der Webcam. Begeistert präsentierten die Abiturient:innen ihre Plakate und erläuterten ihre Gestaltungsideen.
Werbeplakate der Schüler:innen für ein innovatives Produkt
Zusammenfassend war der kleine Einblick in die Sprachwelt der Werbung für die Oberstufenschüler:innen nicht nur eine nette Abwechslung, sondern auch unmittelbar relevant für das Semesterthema „Sprachen/Medien/Lesen“. Auch für uns war der Austausch mit den Jugendlichen interessant und eröffnete neue Sichtweisen auf die Interpretation einzelner Werbekampagnen.
Fotoslider Werbesprache
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